Bericht BMW R25 / BMA
aus bma 09/04 | von Hartmut Neuber
Schönes Wetter, Feierabend, ein laues Lüftchen. Doch da war doch noch was? Richtig, man müsste mal wieder Motorrad fahren! Auch nach vielen Jahren der Enthaltsamkeit bricht dieser Virus irgendwann wieder einmal durch. Spätestens die ersten Sonnenstrahlen im Frühjahr erwecken das Sehnsuchtsgefühl nach dem brausenden Fahrtwind. Welcher bma-Leser kennt das wohl nicht! Doch eine neue Maschine ist nicht ganz billig und die wertvollen Euros sitzen auch nicht so locker. Da kam mir die rettende Idee: Oben auf dem Dachboden der Garage meines Vaters lag ja noch seit zig Jahren unser "Schatz". Vor über 20 Jahren fuhren mein Bruder und ich auf unseren "Böcken" (eine BMW R 25, Bj. 1950 und eine BMW R 26, Bj. 1961) regelmäßig von Lübeck nach Ratzeburg zur "Eisbude" am Ratzeburger See. Dabei nahmen wir stets die Landstraße, eine schöne Strecke über Dörfer, durch Wälder und die Natur. Das Fahren mit den alten "Eintöpfen" war stets ein Erlebnis. Die R 26 sprang immer gut mit Hilfe des Kickstarters an, die R 25 musste jedoch meistens angeschoben werden: Benzinhahn aufdrehen, Vergasertupfer betätigen und die Schwimmerkammer fluten, Ansaugklappe des Vergasers etwas verschließen, die Zündung einschalten, den zweiten Gang einlegen, die Kupplung ziehen, 10 Meter tüchtig Schwung holen, um dann auf den breiten Solosattel mit der elastischen Pagusa-Decke zu springen. Dann die Kupplung schlagartig kommen lassen, und ... blubb, blubb, blubb, der Motor läuft! Eine coole, aber mühsame Anlassmethode. Einmal angesprungen, lief dann der Motor wie ein Uhrwerk. Im Winter 1980 wurden dann beide Maschinen zerlegt und auf den Dachboden gebracht, um später wieder einmal aktiviert zu werden.
Das fiel mir alles wieder ein, als ich letztes Jahr unten in der Garage stand und sehnsuchtsvoll nach oben blickte. Die R 26 war inzwischen verkauft worden, aber die total zerlegte R 25 war noch vorhanden. Über zwei Jahrzehnte lagen die Einzelteile in Kartons verpackt auf dem Boden und warteten auf neues Leben. Da konnte ich nicht widerstehen: Es wurde alles heruntergeholt, sortiert und begutachtet. Im Prinzip fehlte nichts, nur der Kabelbaum war angebissen und damit total unbrauchbar geworden. Wahrscheinlich die Tat eines Marders, der Motorräder verachtete.
Mit der R 25 stellte BMW 1950 eine weiterentwickelte 250 ccm-Einzylindermaschine vor, die im Gegensatz zum Vorgängermodell R 24 durch die Allradfederung (Teleskopgabel, einstellbare Feder unter dem Schwingsattel, Hinterradfedern) mehr Fahrkomfort aufbrachte. Dieses Modell wurde damals in den Fünfzigern zum Verkaufs- schlager: Über 20.000 Stück wurden von BMW hergestellt. Der damalige Verkaufspreis entsprach in etwa einem Drittel dem eines VW Käfers. Bei der R 25 gab es wie bei allen BMWs damals nur eine Farbe: schwarz. Schutzbleche und Tank wurden im Werk per Handarbeit weiß liniert. Die Rahmenteile der R 25 waren jetzt verschweißt und nicht mehr verschraubt. Am Tank sind seitlich "Kniekissen" aus Gummi angebracht, um einen sicheren Knieschluss am Tank zu erreichen und die Knie des Fahrers vor Vibrationen zu schützen. Bei welcher Maschine gibt es so etwas heute noch? Außerdem besitzt die BMW serienmäßig eine Luftpumpe (die auch wirklich funktioniert) samt Halterung am Rahmen.
Ich ging also ans Werk: Einzelteile nach Baugruppen ordnen und wieder zusammensetzen. Es musste nichts repariert, restauriert und kaum etwas erneuert werden. Durch den trockenen Dachboden war der Originalzustand erhalten geblieben und die Einzelteile hatten keinen Rost angesetzt. In der noch vorhandenen Bedienungsanleitung war auch ein Schaltplan für die Elektrik zu finden. Danach fertigte ich aus Einzelkabeln einen neuen Kabelbaum an. Eine neue Sechs-Volt Batterie musste auch her, diese besorgte ich mir vom Veteranenmarkt in Blankensee, ebenso einen neuenwertigen Unterbrecherkontakt für die Zündanlage. Zum Zusammenbau der Maschine benötigte ich zwei Wochen, lackiert zu werden brauchte ja nichts. Dann gings voller Erwartungen zur technischen Untersuchung zum TÜV (Vollabnahme). Die bequemen Pagusa-Einzelsitze bieten einen guten Sitzkomfort, die Federung ist in der Härte einstellbar. Da nimmt auch der Herr Prüfer gerne mal Platz. Der starre Haltebügel am Soziussitz (auch "Klütenfänger" genannt) muss auf jeden Fall vor dem TÜV-Besuch gegen eine flexible Variante ausgewechselt werden, sonst gibts keine Plakette. Das Teil habe ich aus einem breiten Ledergürtel angefertigt und direkt an den Soziussitz geschraubt. Blinker hatte man früher noch nicht. Sie werden auch heute für die Zulasssung der alten Maschine nicht benötigt. Der Fahrer zeigt mit ausgestrecktem Arm an, wohin die Richtung geht. Einige Oldiefans rüsten solch alte Maschinen mit Blinkern an den Lenkerenden aus (den sog. Ochsenaugen), aber das ist nicht original. Mit dem winzigen Rücklicht ("Eberrücklicht") ist der TÜV-Prüfer zufrieden: Es besitzt ein Wellenzeichen! Ferner verlangte der TÜV bei der Vollabnahme meiner R 25, dass die Maschine nur mit "Überziehern" gefahren werden darf. Über die spitzen Lenkerhebel (Kupplungs- und Bremsgriff) gehört ein nachträglicher Gummischutz wegen einer möglichen Verletzungsgefahr. Der doch recht laute und kernige Sound des Auspuffs störte den TÜV-Prüfer zum Glück nicht und schließlich gab es endlich die begehrte Plakette. Vorher musste noch ein neuer KFZ-Brief ausgestellt werden (nicht ganz billig), weil die Maschine schon so lange abgemeldet war.
Bei richtig eingestellter Zündung, sauberen Unterbrecher-kontakten und gut aufgeladener Batterie springt das Krad nun mit einem beherzten Tritt auf den Kickstarter zuverlässig an. Sinnvoll ist es auch, die unter dem Motordeckel liegende Zündspule nach außen zu verlegen. Unter dem "Fressnapf-Deckel" wird die Zündspule doch recht warm, sodass es dann gelegentlich zu Zündaussetzern kommen kann. Mit etwas Glück bekommt man bei Bosch noch eine externe Sechs-Volt Zündspule, die man dann außen am Rahmen befestigen kann. Gerade für die BMW-Baureihe R 25 - R 27 (250er Eintöpfe) gibt es noch reichlich Ersatzteile auf den Oldtimer-Flohmärkten. Auch viele neue Teile gibt es als Nachfertigung zu kaufen, alles kein Problem. Nur die Preise sind dafür inzwischen recht hoch. Gerade wenn man bedenkt, dass mein Bruder und ich damals (ca. 1980) nur 400 DM für die gebrauchte Maschine bezahlen mussten.
Es macht schon Spaß, auf dem alten Hobel durch die Lande zu tuckern und die Landschaft zu genießen. Die 12 PS ermöglichen ein gemütliches Dahingleiten, Cruisen im vierten Gang bei 70-80 km/h. Bei höherer Geschwindigkeit wird der Motor recht rauh und sträubt sich gegen hohe Drehzahlen. Schalten kann man mit dem Fuß oder mit Hilfe des kleinen Handschalthebels an der rechten Getriebeseite. Bergig sollte es auch nicht sein, denn dann geht der kleinen Einzylindermaschine schnell die Puste aus. An der Maschine lässt sich am Rahmen, an die vorgesehenen Kugelköpfe, auch ein Beiwagen anschließen (z.B. ein zeppelinförmiger Steib LS 200). Mit einem solchen Gespann fuhren unsere Eltern in den Fünfzigern samt reichhaltigem Campinggepäck über die Alpen nach Italien. Auch Reifenschäden waren damals nicht ungewöhnlich. Welch ein Vorteil, wenn das Reserverad des Beiwagens auch für das Bike sowie vorne als auch hinten passt. Auch eine Panne bzw. einen technischen Defekt brauchte der Einzylinder-Driver nicht zu fürchten. Mit dem serienmäßigen umfangreichen Bordwerkzeug und dem relativ einfachen Motorenaufbau konnte man unterwegs schon einiges reparieren. Wegen der niedrigen Verdichtung verträgt der Motor heute problemlos bleifreies Normalbenzin. Durch das große "Ohrenschutzblech" vorne kann das Vorderrad fast keinen Schmutz hochschleudern und der Motor bleibt auch auf schlammigen Feldwegen recht sauber, eine gute Konstruktion.
So gleite ich nun wieder an schönen Sommertagen auf der 53 Jahre alten Maschine durch die Lande und genieße den Fahrtwind. Trotz der spärlichen 12 PS kommt dabei richtig Freude auf.